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Ab heute dürft ihr Latrine zu mir sagen

In meiner Klasse war ein Mädchen. Sagen wir mal, sie hieß Kathrine. Das Mädchen hatte bei uns keinen leichten Stand, sie wurde von fast allen gehänselt. Einmal nahm ihr ein Junge die Winterjacke weg und warf sie ins Klo. Damals gab es in der Schule noch die alten Plumsklos, die Jacke schwamm also buchstäblich in der Scheiße. Die Schulleitung ließ die Jacke herausfischen, der Junge bekam einen Verweis. Am nächsten Morgen erschien Kathrine in eben jener Jacke – natürlich frisch gewaschen – zum Unterricht. Ihr ahnt, was passierte: Seit diesem Tag hieß Kathrine bei uns nur noch Latrine. Und ab heute dürft auch ihr Latrine zu mir sagen.

Am Samstag, wir kamen abends aus dem Urlaub zurück, stank es in unserem Treppenhaus barbarisch nach Scheiße. In einer leerstehenden Wohnung im Erdgeschoß war das verstopfte Abwasserrohr übergelaufen und hatte das Bad in der Wohnung überschwemmt. Das Fäkalabwasser lief aber auch in den darunter liegenden Keller, der als Gemeinschaftskeller zum Abstellen von Fahrrädern und Kinderwagen genutzt wird.

Der Gemeinschaftskeller ist mit Gülle vollgelaufen. Zum Glück wird er ja von uns Mietern nicht genutzt, wie man sieht.

Der Gemeinschaftskeller ist mit Gülle vollgelaufen. Die Erste-Hilfe-Maßnahmen kamen von uns Mietern.

Der Vermieter, die Gesobau, ließ die Wohnung leerpumpen und reinigen. Den Keller nicht: Den wischten die daheimgebliebenen Nachbarn sauber und räumten das bis dahin vollgesaute Zeug wie Schaukeln, Stuhlkissen und Fahrräder beiseite. Um den Schaden zu begrenzen, stellten sie Plastikwannen unter die Stellen, aus denen es von der Decke tropfte. Am Dienstag Morgen wollte ich mein Fahrrad aus dem Keller holen. Das Wasser tropfte noch stärker als zuvor. Ich rief die Gesobau-Hotline an, die abblockte: Ich solle mich doch direkt an die Rohrfirma wenden.

Als ich nach Hause kam, tropfte das Wasser nicht mehr, es lief förmlich von der Decke und mittlerweile auch den Wänden herunter. Ich rief nochmals bei der Gesobau-Hotline an, die schließlich den Hausmeister erreichte. Im Bad in der Wohnung über dem Keller stand das Dreckwasser wieder knöcheltief. Also nicht direkt Wasser, Gülle natürlich. Die Firma reinigte Wohnung und Rohr, nicht den Keller. Im Gegenteil: Die Gülle lief durch die mittlerweile vollgesogene Decke, die Wände und das Abflussrohr noch stärker in den Fahrradkeller.

Durch diese Decke muss es kommen - betreten nur mit Schirm.

Durch diese Decke muss es kommen – betreten nur mit Schirm.

Nein, das ist keine Scheiße. Das sieht nur so aus und riecht auch so.

Nein, das ist keine Scheiße. Das sieht nur so aus und riecht auch so.

Mittlerweile tropfte das Wasser auch auf die restlichen Sachen. Wegräumen kam nicht mehr in Frage, ich dusche nur äußerst ungern mit Gülle. Der Hausmeister sah darin kein Problem: Die Gegenstände wären ja Eigentum der Mieter, ergo die Gesobau nicht zuständig. Wie wir uns kümmern, wäre ja wohl unsere Sache. Ich versuchte jemand Verantwortlichen von der Gesobau ans Telefon zu bekommen. Keine Chance.

Am nächsten Tage versuchte ich mehrfach den Hausmeister anzurufen. Er ging weder ans Telefon, noch war er über die Hotline für mich erreichbar. Da die Gesobau offensichtlich blockte, meldete ich den Vorfall dem Gesundheitsamt. Das bekam vom Hausmeister folgende Auskünfte: Erstens würde der Keller nicht durch Mieter genutzt und zweitens würde spätestens bis Donnerstag eine Firma die Kellerräume reinigen. Beides glatte Lügen. Wie auf den Fotos erkennbar, wird der Fahrradraum von allen Mietern genutzt. Er ist Teil des Mietvertrages, wir haben alle Schlüssel und sogar die Auflage, Kinderwagen und Fahrräder nicht im Treppenhaus, sondern in eben diesem Keller abzustellen. Zweitens kam die Firma auch am Donnerstag nicht, um den Keller zu reinigen.

Also wieder Anruf bei der Gesobau. Diesmal erreichte ich die Vorgesetzte des Hausmeisters. Sie blieb dabei: Der Keller wird noch gereinigt. Außerdem bestätigte sie mir, dass unsere Sachen nicht gesäubert und desinfiziert würden, sondern dass dies unsere Sache sei. Und das ist leider wirklich so: Die Gegenstände der Mieter sind über deren Hausratsversicherung versichert, nicht über den Vermieter. Also machte ich für meine Versicherung eine Aufstellung der beschädigten Sachen. Während ich fotografierte, Kaufbelege heraussuchte und im Internet nach Reinigungsfirmen für Fäkalrückstände suchte, wartete ich weiterhin auf die Firma, die wenigstens den Kellerfußboden reinigen sollte. Sie kam nicht.

Heute, eine Woche nach dem ersten Rohrbruch,wandte ich mich erneut ans Gesundheitsamt. Eine Frau kam vorbei, um sich die Räume vom Hausmeister zeigen zu lassen. Ich selbst konnte nicht dabei sein, allerdings war mein Freund vor Ort. Der Hausmeister blockte weiter und stritt sogar ab, dass die Gülle auch im Durchgang zum Garten stand. Dieses Foto zeigt allerdings was anderes:

Mal ehrlich - ihr würdet doch da auch ohne Bedenken reinlatschen und dann in eure Wohnung gehen - oder?

Mal ehrlich – ihr würdet doch da auch ohne Bedenken reinlatschen und dann in eure Wohnung gehen – oder?

Laut Hausmeister wären die Kellerräume außerdem heute halb neun gereinigt worden. Ich bin erst um neun aus dem Haus gegangen und könnte bei meiner 92jährigen Oma schwören, dass um diese Uhrzeit keine Firma im Keller war. Genutzt hat es nichts. Für das Gesundheitsamt war die mittlerweile eingetrocknete Gülle nicht mehr als solche erkennbar. Wir hatten zwar Proben von dem Wasser und dem Schlick genommen, aber die Untersuchung hätten wir selbst bezahlen müssen. Wir lehnten ab.

Am Wochenende ist in unserem Hausaufgang eine Schuleintrittsfeier. Die Organisation einer solcher Feier an sich ist ja schon stressig. Wir werden deshalb heute Nachmittag alle zusammen im Garten stehen und Schaukeln, Tische und Stühle eigenhändig saubermachen. Den Keller und den Durchgang wahrscheinlich vorsichtshalber dazu, damit morgen sorgenfrei gefeiert werden kann. Nicht einmal die Wannen, mit denen wir Mieter den Keller vor größeren Schäden bewahrt haben, hat die Gesobau für uns auswaschen lassen. Die stehen immer noch voll mit Dreckwasser im angeblich gereinigten Keller. Auch dass werden wir heute Nachmittag selbst machen – obwohl nicht nur ich große Lust hätte, die Brühe der Gesobau vor die Tür zu kippen. Es ist ja schließlich nur Wasser, keine Gülle.

Na ja, morgen ist alles wieder sauber. Weil wir, die Mieter, uns darum gekümmert haben. Deshalb dürft ihr ab heute auch Latrine zu mir sagen.

katze

P.S.: Die Originalwerbung der Gesobau sieht natürlich etwas anders aus: http://www.bezirksmagazin.de/pankow-prenzlauer-berg-weissensee/liste/gesobau-ag-1004/

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