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Weniger ist manchmal mehr – Rezension zu Nationalstraße am Theater Bremen

Vandam ohne echtes Bier und ohne echte Schlägerei? Das konnte nicht gutgehen. Dabei fing die Inszenierung von Nationalstraße am Theater Bremen verheißungsvoll an. Gleich zu Anfang erhob sich der Protagonist nackt aus dem Schaum. Ein netter Effekt mit Aufmerksamkeitsgarantie. Zudem war die Bühnendekoration stimmig: der Wald aus Tannenbäumen, das Lagerfeuer, die typisch sozialistischen Metallgitter und darüber der Nordstern als Symbol für die Kneipe „Severka“.

Allerdings klärte Vandam das Publikum anders als in der Buchvorlage von Jaroslav Rudis nicht allein darüber auf, wie das Leben so läuft. Regisseurin Theresa Welge stellte ihm eine Frau zur Seite – als zweites Ich, als Saufkumpan, als Punchingball und als Kneipenwirtin Sylva. Keine schlechte Idee, den langen Monolog anders umzusetzen, aber muss ausgerechnet eine Blondine in Pumps und Netztoberteil Vandams Kumpel Froster oder einen prügelnden Kneipenbesucher geben? Genauso gut hätte man Edward Norton im Film Fightclub anstelle von Brad Pitt Julia Roberts als Alter Ego zur Seite stellen können. Nur um Mißverständnissen vorzubeugen: Betty Freudenberg spielte die verschiedenen Rollen großartig, aber die Idee an sich funktionierte meiner Meinung nach einfach nicht.

Vandams Welt ist eine Macho-Männerwelt, in der Frauen Opfer sind, wie Vandams Mutter, die vom besoffenen Vater verprügelt wird. Oder die als Projektionsfläche zum Aufpolieren des männlichen Egos herhalten müssen, indem sie beispielsweise die Sieger von Kneipenschlägereien bewundern dürfen. So auch Sylva, die vielleicht im Stehen pinkeln kann, aber trotzdem die Kneipe ihrer Mutter übernehmen muss, um ihre Schuden zu bezahlen. Damit ist sie sowohl dem Schuldeneintreiber als auch dem Geschwafel von Vandam oder Froster ausgesetzt. Und auch sie wird bei einem Streit von Vandam geschlagen.

Inszenierung Nationalstraße Bremen

Betty Freundenberg als Brünner Presswurst und Alexander Swoboda als Vandam. Foto: © Jörg Landsberg

Andere Regieeinfälle fand ich ebenfalls recht unglücklich. Hätte es wirklich einen Haarreifen aus Wurst gebraucht, um den Brünner Touristen, der sich in die Severka verirrt, als Presswurst zu skizzieren?  Warum wird die Prügelszene zwischen eben diesem Touristen und Vandam zu Synthesizerklängen gesungen? Weil man sich als Frau in Stöckelschuhen nun mal schlecht prügeln kann? Und muss man Weihnachten wirklich immer mit „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ (hier durch die Titelmelodie) symbolisieren? Vielleicht hätte es ja auch eine Lichterkette an einem der ohnehin herumstehenden Tannenbäume getan. Das wäre vielleicht nicht origineller gewesen, aber wenigstens mal was anderes.

Als besonders störend empfand ich jedoch, dass die Protagonisten immer wieder aus der Rolle fielen, um sich selbst zu kommentieren. Der Sog, den das Buch beim Lesen entwickelt, konnte so gar nicht erst entstehen. Auch der tschechische Humor der Vorlage ging dadurch leider manchmal verloren. Szenen, die bei den Buchlesungen für Lachen sorgten, gingen hier oft unbemerkt unter.

Vielleicht hätte Theresa Welge dem Stück mehr vertrauen sollen. Ich hätte das ganze Tantam drumherum nicht gebraucht, denn auch Alexander Swoboda spielte hervorragend. Das er den Monolog gut allein hätte halten können, hatte er ja vorher schon unter Beweis gestellt. Vielleicht wäre dann auch die Szene zwischen Sylva und Vandam besser zum Tragen gekommen, denn im Bett mit Sylva macht sich Vandam im übertragenen Sinn nackig und zeigt seine verletzliche Seite. Leider ging das, nicht nur aufgrund des trennenden Gazevorhangs zwischen Bett und Publikum, irgendwie unter.

Und spätestens als die Protagonisten im Duett „Felicità“ anstimmten (nein, nicht als Parodie, als Liebeslied) sehnte ich mich nach einem echten Bier in einer richtigen Kneipe. Auf die Schlägerei könnte ich dort allerdings verzichten.

Alle weiteren Informationen zum Stück gibt es auf der Webseite des Theaters Bremen.

Meine Rezension zur Buchvorlage von Jaroslav Rudiš.

 

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