Improtheater hat oft etwas von Glückspiel. Das Stück, das an dem jeweiligen Abend auf der Bühne entsteht, ist von den Stichworten der Zuschauer, dem Zugang der Schauspieler zu diesem Thema, von deren Spiellaune und überhaupt der Stimmung im Theater abhängig. Das, was live auf die Bühne gebracht wird, ist einmalig und nicht reproduzierbar. Manchmal ist das gut, manchmal wünscht man sich, es gäbe doch eine Wiederholung.
Das Theater ohne Probe, eine Theatergruppe aus Berlin, hat sich dem Improtheater verschrieben – allerdings im Sinne von Brecht. Die Vorgaben an das Publikum sind deshalb klar: die Stichwörter für die Improvisation sollen einen aktuellen politischen Bezug haben. Der Anspruch der Schauspieler an sich und das Stück: Es soll Spaß machen und zum Nachdenken anregen, die Schauspieler können jederzeit aus ihrer Rolle heraustreten und Erklärungen einfügen, die Musik unterstützt bestimmte Stellen im Stück kontrastierend – zum Beispiel kann eine traurige Szene mit lustiger Musik unterlegt werden.
Das klingt spannend und ist es auch. In der Vorstellung, die ich in der Brotfabrik sehen konnte, waren die Stichwörter: Schnelllebigkeit, Nachrichten, Günter Grass und Journalisten. Was entstand , war ein Stück über Qualitätsjournalismus in der heutigen Zeit, über mangelnde Recherche und Falschinformationen, über Bewahrer und Erneuerer, über Werte im Wandel und prekäre Arbeitsverhältnisse im Journalismus.
Schnell waren Namen und Rollen gefunden, sofort waren die Schauspieler im Thema drin. Wenige Requisiten unterstützten die Darstellung der verschiedenen Charaktere, die sich gegenseitig vorstellten und so dem Zuschauer einen Überblick gaben. Im Spiel wechselten sich kurze Szenen ab, die aufeinander aufbauten oder verschiedene Handlungsstränge verfolgten. Diese Spielweise ermöglichte zum einen eine gute inhaltliche Darstellung der Themen, zum anderen gab sie den Schauspielern die Freiheit, einzelne Szenen äußerst amüsant auf die Spitze zu treiben. Etwa als sich ein Journalist und eine angesagte Bloggerin mit Burnout bei einer Tour im Himalaya begegnen – beide auf der Suche nach Ruhe, was die einheimische Sherpani (die weibliche Bezeichnung für Sherpa, musste von den Schauspielern in der Pause erst mal gegoogelt werden) nicht davon abhielt, im Notfall ungerührt ihr Smartphone zu zücken.
Es war toll, mit wieviel Witz und Tiefgründigkeit das Thema von den Schauspielern ausgespielt wurde. Die Darsteller überzeugten nicht nur durch schauspielerisches Können, sondern auch durch inhaltliche Kenntnisse und Präzision. Das machte den Abend tatsächlich zu einem Theaterabend im Sinne von Brecht – unterhaltsam, lehrreich und mit genug Denkanregungen über den Abend hinaus.
Brotfabrik Berlin
Vorstellung vom 15.4.2015
Auch veröffentlicht auf www.livekritik.de.