Das neu eröffnete The Wall Museum befindet sich im Mühlenspeicher direkt an der Eastsidegallery, einem der Touristenmagneten Berlins. Die Versuchung hätte groß sein können, die Geschichte der Mauer plakativ oder effekthascherisch darzustellen, quasi als „Mauer-to-go“ für Touristen. Zum Glück ist genau das Gegenteil der Fall. Das liegt sicher auch daran, dass die Ausstellung von Guido Knopp und dem Dokumentarfilmer Jürgen Ast kuratiert wurde.
Die Ausstellung gibt nicht nur Fakten zur Geschichte der Mauer von 1945 bis zu ihrem Fall im Herbst 1989 wieder, sondern beleuchtet anhand von Zeitzeugendokumenten, Nachrichtensendungen, Interviews, Filmausschnitten, Fotos und Ausstellungstücken diesen Teil der deutschen Geschichte so detailliert wie keine andere Ausstellung die ich kenne. Um sich die dreizehn Ausstellungsräume in Ruhe anschauen zu können, sollte man deshalb ausreichend Zeit einplanen.
Die einzelnen Räume sind als Rundgang und zur besseren besseren inhaltlichen Orientierung zeitlich und thematisch angeordnet. Das multimedial ausgerichtete Museum spricht dabei verschiedene Sinne wie Sehen, Hören, und Fühlen an. In einem der Ausstellungsräume kann man zum Beispiel die Hohlblöcke anfassen, aus denen die Berliner Mauer gebaut wurde. In dem angrenzenden Wohnzimmer, das mit typischen DDR-Möbeln eingerichtet ist, ist das Wohnzimmerfenster zugemauert – Alltag für die Bewohner der Bernauer Straße.
Neben anschaulich aufbereiteten historischen Fakten und Zitaten legt das Museum einen besonderen Schwerpunkt auf Zeitzeugeninterviews. Eingeordnet in das jeweilige zeitliche und politische Umfeld erzählen Politiker, Grenzsoldaten, Maueranwohner und Künstler ihre persönlichen Geschichten. Ein junger Sodat erinnert sich zum Beispiel daran, wie die NVA im Herbst 1989 in erhöhte Gefechtsbereitschaft versetzt wurde. Auf seinen Einwand, er könne doch noch gar nicht mit dem Gewehr umgehen sagte man ihm, notfalls würde man es ihm kurz vorher auf dem Lastwagen zeigen.
Besonders berührt hat mich die Geschichte der Kinder, die in der Spree ertrunken sind. Vom Balkon des Museums kann man das gegenüberliegende Gröbenufer sehen, wo Cetin Mert am 11. Mai 1975 seinen fünften Geburtstag feierte. Bei dem Versuch, einen ins Wasser gefallenen Ball herauszuholen, stürzte der Junge in die Spree, die an dieser Stelle zur DDR gehörte. Niemand traute sich, ihn zu retten – Cetin Mert ertrank. Erst im Oktober 1975 wurde zwischen dem Westberliner Senat und der DDR-Regierung ein Abkommen über Rettungsmaßnahmen bei Unglücksfällen in den Berliner Grenzgewässern unterzeichnet. Bis dahin ertranken fünf Kinder an dieser Stelle in der Spree.
Bekannter, aber sehr beeindruckend, ist die Geschichte von Hans-Dietrich Genschers diplomatischen Reisen im Herbst 1989. Obwohl der damalige Außenminister bereits zwei Herzinfarkte hatte, reiste er ohne Pause zwischen New York, Prag und Bonn hin und her, um die Ausreise der DDR-Flüchtlinge aus der Prager Botschaft zu erreichen. Mit dabei: Zwei Kardiologen und ein Defibrilator, für alle Fälle.
Aufgrund der vielfältigen Informationen, Exponate und O-Töne hat man nach dem Besuch des Museums den Eindruck, ein umfassendes Bild über diesen Abschnitt der deutschen Geschichte gewonnen zu haben. Ein Besuch lohnt sich deshalb nicht nur für diejenigen, die nur wenig oder nichts über den Mauerbau wissen. Auch diejenigen die glauben, eigentlich schon alles zu diesem Thema zu wissen, werden sicher noch die eine oder andere Geschichte entdecken, die sie noch nicht kannten.
Weiterführende Links:
Webseite des Wall Museums (nur in Englisch): www.thewallmuseum.com